Tischlereien und Schreinereien

Arbeitsunfall-Analyse zeigt Präventionspotenziale

In der Tischler-Schreiner-Branche ist die Unfallquote fast doppelt so hoch wie im BGHM-Durchschnitt: 60 Arbeitsunfälle werden pro Jahr bezogen auf 1.000 Mitarbeitende in Tischlereien und Schreinereien gemeldet. Die Unfallquote über alle BGHM-Branchen liegt bei 32.

Eine Analyse der Unfälle, die sich in Tischlereien und Schreinereien ereignet haben, zeigt eindeutige Unfallschwerpunkte auf. Mit den passenden Maßnahmen könnten die Unfallzahlen drastisch reduziert werden.

Im Tischler- und Schreinerhandwerk werden unterschiedlichste Materialien verwendet, um Möbel, Treppen und Bauteile wie Fenster und Türen herzustellen – von Massivholz über Holzwerkstoffe bis zu Glas und Kunststoffen. Oberflächen werden mit Beschichtungsstoffen wie Lacken oder Ölen veredelt. Das Spektrum der verwendeten Arbeitsmittel reicht vom händisch geführten Stechbeitel und Handhobel über Handmaschinen und stationäre Maschinen bis zu komplexen CNC-Maschinen und Industrierobotern.

Arbeitsunfall-Analyse zeigt Präventionspotenziale
© bialasiewicz/123RF.com

Oft ist von den Beschäftigten im Holzhandwerk ein hoher körperlicher Einsatz gefordert, zum Beispiel beim Transport von Platten oder der Montage von schweren Bauelementen wie Fenstern und Türen. Um Unfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren vorzubeugen, sind Unternehmer und Unternehmerinnen vom Gesetzgeber aufgefordert, für jede Tätigkeit eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen, festgestellte Gefährdungen zu beseitigen und Beschäftigte in einer sicheren Arbeitsweise zu unterweisen.

Viele stellen sich dabei die Frage: Wo soll ich bloß anfangen und auf welche Gefahren muss ich besonders achten? Um Unfallschwerpunkte zu erkennen und abzubauen, hat das Sachgebiet „Holzbe- und -verarbeitung“ der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) die 2.917 meldepflichtigen Unfälle des Jahres 2019 der Branche Tischlerei/ Schreinerei ausgewertet (Tabelle 1) und kategorisiert (Tabelle 2).

Unfälle nach Bereichen

Anzahl der Unfälle

Ø Unfallkosten

Stationäre Holzbearbeitungsmaschinen7013.107 €
Maschinen Oberfläche und Furnier491.726 €
Handmaschinen4371.178 €
Handwerkzeuge491400 €
Betriebsstätte7711.301 €
Baustellen3681.150 €
Summe/Ø2.9171.573 €

Tabelle 1: Unfälle nach Bereichen in Tischlereien/Schreinereien, ausgewertet anhand der 2.917 gemeldeten Arbeitsunfälle im Jahr 2019

Kategorien

Anzahl der Unfälle

schwer

mittelschwer

leicht

Ø Kosten pro Unfall

Materialhandling615401204551.128 €
Tisch- und Formatkreissäge 326341211713.631 €
Winkelschleifer68717433.443 €
Tischfräse64719383.335 €

Tabelle 2: Unfallursachen nach Kategorien sortiert

Um einen meldepflichtigen Arbeitsunfall handelt es sich, wenn mehr als drei Tage Arbeitsunfähigkeit die Folge sind. Die schwersten Verletzungen mit den höchsten durchschnittlichen Unfallkosten und Ausfalltagen entstehen regelmäßig bei Unfällen an stationären Holzbearbeitungsmaschinen. Werden die Unfallursachen nach Kategorien sortiert (konkrete Tätigkeit beziehungsweise konkretes Werkzeug oder konkrete Maschine, mit der sich der Unfall ereignet hat, Tabelle 2), zeigt sich folgendes Bild: Die stationären Holzbearbeitungsmaschinen sind mit den Tisch- und Formatkreissägen und den Tischfräsen bei den vier Unfallursachen vertreten, die in Betrieben der Branche Tischlerei/Schreinerei am häufigsten Unfälle auslösten und die schwersten Folgen hatten. Das höchste Unfallgeschehen war beim Materialhandling sowohl auf Baustellen als auch im Betrieb zu verzeichnen. 615 meldepflichtige Arbeitsunfälle ereigneten sich dabei.

Umstürzende Holzwerkstoffplatten waren die häufigste Unfallursache im Betrieb (65 teilweise sehr schwere Arbeitsunfälle) und auf Baustellen. 28 Unfälle ereigneten sich beim Transport unzureichend gesicherter Fenster und Türen. In 24 Fällen kam es beim Be- oder Entladen zum Sturz von der Lkw-Ladefläche. Bei Transport und Handling von Glasscheiben ereigneten sich 48 Unfälle mit teilweise schweren Schnittverletzungen. So unterschiedlich die Unfallursachen, so vielseitig sind hier die Schutzmaßnahmen. Diese reichen von der sicheren Lagerung von Holzwerkstoffplatten über Ladungssicherung und ergonomische Hilfsmittel beim Transport von beispielsweise Türen und Fenstern bis hin zu Hilfsmitteln beim Beoder Entladen.

Feinanalyse 1: Tisch- und Formatkreissägen

Unfälle an der Kreissäge ereignen sich überwiegend beim Schneiden von schmalen Werkstücken mit Breiten unter 120 Millimetern, beim Entfernen von Abfallstücken mit der Hand sowie durch unsichere Werkstückführung und einen daraus folgenden Rückschlag des Werkstücks. In 92 Fällen war die nicht abgesenkte Schutzhaube mit unfallursächlich. Diese Zahlen zeigen: Wenn schmale Leisten sicher geschnitten und Schutzhauben konsequent abgesenkt würden, könnten circa 67 Prozent der Arbeitsunfälle und 80 Prozent der Kosten vermieden werden, die durch Unfälle an Tischund Formatkreissägen entstehen.

Basics für das sichere Arbeiten an Tisch- und Formatkreissägen:

  • Schutzhaube auf Werkstückhöhe absenken.
  • Bei schmalen Werkstücken Parallelanschlag auf niedere Führungskante umlegen.
  • Sägearbeiten nach Anriss am besten mit dafür geeigneter durchsichtiger Schutzhaube durchführen.
  • Für gute Beleuchtung vor dem Sägeblatt (Bild 1) und für sichere Werkstückführung sorgen.
  • Arbeitsgänge an Kreissägen so planen, dass die Hände beim Vorschieben stets außerhalb eines Gefahrenbereichs von 120 Millimetern um das Sägeblatt bleiben. Dazu Schiebestock oder Schiebeholz griffbereit anbringen und einsetzen.
  • Verklemmen vermeiden: Das Werkstück kann sich unerwartet zwischen Spaltkeil beziehungsweise Sägeblatt und Parallelanschlag verklemmen und die vorschiebende Hand kann ins Sägeblatt rutschen. Parallelanschlag zudem bis zu einer gedachten 45-Grad-Linie zum Eingriffspunkt des Sägeblatts zurückziehen (Bild 2).
  • Zum sicheren Führen von Werkstücken die Sägehilfe „Fritz und Franz“ verwenden (Bauanleitung und Erklärung). Das Werkstück wird dadurch sicher gespannt und die Hände bleiben außerhalb des Gefahrenbereichs.
  • Rückschlag- und lärmarme Sägeblätter verwenden.
  • Seit einiger Zeit werden Kreissägemaschinen angeboten, bei denen sich das Sägeblatt für mehr Sicherheit blitzartig unter den Maschinentisch absenkt.
LED-Beleuchtung der Schnittebene
Bild 1: LED-Beleuchtung der Schnittebene
© MAFELL AG
Einstellung des Parallelanschlags an einer Tisch und Formatkreissäge
Bild 2: Einstellung des Parallelanschlags an einer Tisch und Formatkreissäge
© BGHM

Winkelschleifer

Bei der Verwendung von Winkelschleifern ereigneten sich 68 Arbeitsunfälle mit überdurchschnittlich hohen Kosten, überwiegend auf Baustellen. Ursache bei 18 dieser Unfälle und damit am zweithäufigsten war ein Kontrollverlust, weil die Trennscheibe blockierte, zum Beispiel beim Durchtrennen von Metallbolzen beim Ausbau von Fenstern und Türen. Unfälle können vermieden werden, wenn Winkelschleifer sicher mit beiden Händen geführt und Werkstücke vor der Bearbeitung fest eingespannt werden. Bei häufigem Ausbau von alten Fenstern sollten absaugbare Spezialmaschinen beschafft werden.

Feinanalyse 2: Tischfräsmaschinen

An der Tischfräse ereigneten sich 64 der gemeldeten Arbeitsunfälle, 28 davon beim Fräsen am Anschlag und 16 bei der Bearbeitung eines schmalen Werkstücks. Die häufigsten Unfallursachen an der Tischfräsmaschine sind demnach eine fehlende Werkzeugverdeckung, unsichere Werkstückführung und fehlende Rückschlagsicherungen sowie falsche Handhaltung. Über 90 Prozent der Ausfallzeiten und Unfallkosten könnten vermieden werden, wenn Werkstücke sicher geführt und somit Werkstückrückschläge verhindert werden würden und wenn Fräswerkzeuge gegen Berühren gesichert werden würden.

Basics für das sichere Arbeiten an Tischfräsmaschinen:

  • Werden Werkstücke von Hand geführt, sollten Schutzeinrichtungen für die Werkstückführung (beispielsweise ein durchgehender Anschlag) sowie eine Werkzeugverdeckung (etwa eine Schutz- und Druckvorrichtung wie in Bild 3), nachgerüstet und verwendet werden.
  • Bei Einsetzfräsarbeiten ist darauf zu achten, dass kein ungewolltes Fräsen im Gleichlauf auftreten kann. Dazu eine breite Rückschlagsicherung montieren und Werkstück von außen zum Anschlag vorschieben.
  • Der beste Schutz ist die Verwendung des Vorschubapparats, auch bei Probefräsarbeiten und Einzelstücken. Dieser verhindert zuverlässig den Kontakt mit dem Fräswerkzeug, wie 1995 eine Untersuchung der Berufsgenossenschaft zeigte: Bei circa 100 Unfällen an Tischfräsen ereignete sich keiner davon an einer Tischfräse mit Vorschubapparat.

Gert Feihle, BGHM

Schutz- und Druckvorrichtung an einer Tischfräsmaschine
Bild 3: Schutz- und Druckvorrichtung an einer Tischfräsmaschine
© BGHM

Unfallbeispiele:

  • MDF-Platten stürzen beim Verladen auf die Beine einer Mitarbeiterin. Sie bricht sich ein Fußgelenk.
  • Muskelfaserriss, weil beim Einhängen eines 90 Kilogramm schweren Fensterflügels Nachgreifen notwendig ist.
  • Ein Mitarbeiter erleidet Schnittverletzungen an zwei Fingern, weil er bei Arbeiten an der Kreissäge mit der Hand Schnittreste entfernen möchte.
  • Ein Spanplattenstreifen verklemmt sich in der Formatkreissäge so, dass er samt Schiebeholz zurückschlägt und Prellungen an der rechten Hand des Beschäftigten verursacht.
  • Beim Zuschnitt von Holzstreifen rutscht ein Beschäftigter mit der Hand vom Werkstück ab. Die Finger geraten ins Sägeblatt. Die Folge: Amputation mehrerer Finger.
  • Beim Auftrennen von Metall-Verankerungsbolzen verkeilt sich die Trennscheibe des Winkelschleifers zwischen Mauerwerk und Holzrahmen der zu entfernenden Türanlage und gerät außer Kontrolle. Die Trennscheibe durchschneidet den Rücken der linken Hand.
  • Schnittverletzungen bei der Arbeit an der Tischfräse, weil das Werkstück zurückschlägt und der Beschäftigte mit den Fingern in das Werkzeug gerät.

Unterstützung für Betriebe

Die BGHM unterstützt mit Beratung vor Ort im Betrieb sowie mit Medien bei allen Fragen, die die Arbeitssicherheit und den Gesundheitsschutz betreffen. Speziell für Tischlereien und Schreinereien bietet sie:

Noch mehr Gründe für Unfallprävention

Eine Auswertung der 50 schwersten Arbeitsunfälle aus der hier betrachteten Analyse ergab Ausfallzeiten von durchschnittlich 315 Tagen. Dazu kommen bei vielen Arbeitsunfällen bleibende Körperschäden sowie eingeschränkte Kraft und Beweglichkeit, die mitunter einen Berufswechsel erforderlich machen. Neben dem Schutz der Beschäftigten ist es daher durchaus auch wirtschaftlich, mit Prävention die Zahl der Arbeitsunfälle zu reduzieren.

Ausgabe 4/2023