DGUV Empfehlung „Lärm“: Grundsatz G 20 abgelöst
Neuer Standard für die arbeitsmedizinische Vorsorge im Lärmbereich
Die neue DGUV Empfehlung „Lärm“ hat den DGUV Grundsatz G 20 abgelöst. Sie unterstützt Betriebsärztinnen und -ärzte bei der Gestaltung der arbeitsmedizinischen Vorsorge. Die neuen „DGUV Empfehlungen für arbeitsmedizische Beratungen und Untersuchungen“ (siehe BGHM-Magazin "DGUV Empfehlungen veröffentlicht - Neues Standardwerk für Arbeitsmedizin") basieren auf dem allgemein anerkannten Stand der Arbeitsmedizin und besitzen keine Rechtsverbindlichkeit.
Sie geben Hinweise im Sinne von „Best Practices“ und lassen den Betriebsärztinnen und Betriebsärzten den im Einzelfall erforderlichen Spielraum, die Beratungen und Untersuchungen so zu gestalten, wie es auf Grund der jeweiligen Gegebenheiten geboten erscheint. Arbeiten Beschäftigte unter Lärmeinfluss, müssen Arbeitgeber gemäß Verordnung zur arbeitsmedizinischen Vorsorge (ArbMedVV) ab Überschreiten des unteren Auslösewerts von 80 dB(A) eine arbeitsmedizinische Vorsorge anbieten. Diese ist ab 85 dB(A) verpflichtend.
Welche Beratungsinhalte und – falls der oder die Beschäftigte nicht ablehnt – welche Untersuchungen zur Vorsorge gehören, beschreibt die neue DGUV Empfehlung für die arbeitsmedizinische Vorsorge „Lärm“:
- Gehörschäden sind unheilbar.
- Gehörschäden entwickeln sich schleichend, von den Betroffenen anfangs meist unbemerkt.
- Zum lärmbedingten Hörverlust, dem man vorbeugen kann, addiert sich mit zunehmendem Lebensalter bei den meisten Menschen ein altersbedingter Hörverlust.
Anders als bei Erkrankungen, die mit Schmerzen einhergehen, verursacht eine Lärmschwerhörigkeit zunächst weder auffällige Beeinträchtigungen noch Arbeitsunfähigkeiten. Das ändert sich in der zweiten Lebenshälfte, wenn zum lärmbedingten noch der altersbedingte Gehörschaden dazukommt und eine Unterhaltung im Betrieb und in der Freizeit immer schwieriger oder gar unmöglich wird. Die privaten und beruflichen Auswirkungen sind enorm. Soziale Isolation ist häufig die Folge und die Enttäuschung ist groß, wenn Hörgeräte nicht die erwartete Unterstützung bringen.
Vorsorge und Test für Früherkennung
Weil eine beginnende Lärmschwerhörigkeit nicht spürbar ist, sind die Gehörvorsorge und speziell der Gehörtest von großer Bedeutung. Nur mit einem Gehörtest kann festgestellt werden, ob ein Gehörschaden vorliegt oder ob sich einer entwickelt. Findet ein Gehörtest statt und zeigt die Gehörkurve im Audiogramm eine waagerechte Linie ohne nennenswerte Hörverluste, ist alles in Ordnung. Dies spricht für die Wirksamkeit der bisherigen Maßnahmen, beispielsweise das Tragen von Gehörschutz. Ist jedoch insbesondere bei 4000 Hz eine Senke in der Kurve des Gehörtest-Diagramms zu erkennen, kann sich eine Lärmschwerhörigkeit abzeichnen. Bisherige Maßnahmen gegen Lärm waren unter Umständen nicht wirksam – es sind dann neue gefragt!
DGUV Empfehlung „Lärm“: Das ist neu
Ein Teil der Neuerungen in der DGUV Empfehlung „Lärm“ beruht auf den Vorgaben aus der ArbMedVV. Der Gehörtest ist freiwillig. Daher ist eine Lärm-Vorsorge also auch ohne Gehörtest möglich. In diesen Fällen ist vom Betriebsarzt oder der Betriebsärztin, der oder die den Arbeitsplatz von Betroffenen und damit vorliegende Lärmexpositionspegel, Arbeitsweisen und Arbeitsumgebungen in der Regel kennt, eine gute, praxisnahe Beratung zum Thema Lärmschutz erst recht gefordert. Die individuelle Beratung des oder der Versicherten steht im Vordergrund und zusätzlich kann der Betriebsarzt oder die Betriebsärztin dem Unternehmen Vorschläge für weitere Schutzmaßnahmen machen.
Im früheren DGUV Grundsatz G 20 begründeten zudem erst relativ deutliche Hörverlustwerte eine sogenannte Lärm-II- oder Lärm-III-Ergänzungsuntersuchung. Die Hörverlustwerte wurden in der neuen DGUV Empfehlung „Lärm“ gesenkt, sodass der Präventionscharakter stärker in den Vordergrund rückt. Außerdem gibt es jetzt getrennte Hörverlustwerte für Männer und Frauen, weil das Gehör von Frauen mit zunehmendem Alter weniger stark nachlässt als das von Männern. Die Werte, die Ergänzungsuntersuchungen erforderlich machen, sind für Männer und Frauen ab dem 35. Lebensjahr unterschiedlich. Ab diesem Zeitpunkt schreitet der altersbedingte Hörverlust bei Männern schneller voran.
Fazit
Da sich eine Gehörschädigung schleichend entwickelt, stehen bereits vor Aufnahme einer Tätigkeit mit hoher Lärmbelastung und dann regelmäßig Angebots- beziehungsweise Pflichtvorsorge gemäß ArbMedVV auf dem Programm, deren Ablauf mit der neuen DGUV Empfehlung „Lärm“ einige Neuerungen erfahren hat. Es sei noch darauf hingewiesen, dass besonders junge Menschen hier im Blickpunkt stehen sollten, die (hoffentlich!) noch ein intaktes Gehör haben, das sie schützen und erhalten wollen. Sprüche wie „Ein Schmied, der keinen Gehörschaden hat, hat nicht gearbeitet“ sollten niemanden beeindrucken.
Peter Hammelbacher, BGHM
Ausgabe 4/2022