Auf Cutters Schneide: Auswahl und Schutzmaßnahmen

Schwerpunktthema: Cuttermesser

In vielen Betrieben sind sie ständig im Gebrauch: Cuttermesser. Damit es nicht zu Schnittverletzungen kommt, gibt es einige Auswahlkriterien und Schutzmaßnahmen zu beachten.

Von den über 73.500 meldepflichtigen Unfällen mit Handwerkzeugen, die der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) im Jahr 2019 gemeldet wurden, ereigneten sich 42.420 bei der Benutzung von Messern – darunter auch die beliebten und vielfach verwendeten Cuttermesser. In der Statistik des Folgejahres 2020 war der prozentuale Anteil der Unfälle mit Messern mit 57 Prozent fast genauso hoch wie im Jahr 2019 mit 57,7 Prozent. Auch die Zahlen zum Unfallgeschehen 2021 zeigen, dass der Trend anhält: Es gab 68.221 Unfälle mit Handwerkzeugen, davon 39.310 mit Messern – das ist wieder ein hoher Anteil von 57,6 Prozent.

Zudem sind insbesondere jüngere Beschäftigte, die im Umgang mit Cuttermessern weniger Erfahrung haben als routiniertere Kolleginnen und Kollegen, bei den Unfällen mit Messern statistisch auffällig oft vertreten (siehe BGHM-Magazin 6/2021, Seite 8: www.bghm.de, Webcode 4677).

Titelbild BGHM-Magazin Ausgabe 4/2023; © BGHM

Hinter diesen Zahlen stehen Menschen mit ihrem individuellen Schicksal und den Folgen ihres Arbeitsunfalls mit einem Messer, die vom kleinen Schnitt bis hin zu dauerhaften Einschränkungen reichen und sogar Unfallrenten zur Folge haben können. Um solche Unfälle zu verhindern oder ihre Zahl zumindest zu reduzieren, sind beim Einsatz und beim Gebrauch von Cuttermessern einige Dinge zu berücksichtigen.

Auswahl von Cuttermessern

Bereits bei der Auswahl eines Werkzeugs ist die Unfallprävention zu beachten. Eine Gefährdungsbeurteilung nach dem STOP-Prinzip speziell für Tätigkeiten, die oft mit dem Cuttermesser ausgeführt werden, wird empfohlen. Denn es gibt Werkzeuge, die für die jeweilige Schneidaufgabe sicherer und besser geeignet sind. Das STOP-Prinzip besagt, dass zunächst eine Substitution (S in STOP) der Gefahrenquelle oder des Arbeitsprozesses geprüft werden sollte. Wenn also für den Einsatzzweck eine sicherere Alternative zum Cuttermesser mit geringerem Gefahrenpotenzial erkennbar ist, ist diese zu bevorzugen. Das können andere Handwerkzeuge oder Maschinen sein wie:

  • Streifenschneider für Gipskarton
  • Kantenhobel mit verdeckten Klingen ebenso für Gipskartonarbeiten
  • Dämmstoffmesser statt Cuttermesser für große Schnitttiefen
  • Kabelmesser und Abisolierzange
  • Elektrische Dämmstoffsäge
  • Elektroschere zum Schneiden von Teppichen/Bodenbelägen

Ist das Cuttermesser das Werkzeug der Wahl, mit dem eine Schneidaufgabe wirtschaftlich und fachgerecht erledigt werden kann, stehen verschiedene Modelle zur Wahl: Cuttermesser mit Segmentklinge, auch Abbrechklinge genannt, solche mit immer herausstehender Klinge, kostengünstige Varianten mit Kunststoffgehäuse oder solche mit ergonomisch geformtem Griff. Um der Arbeitssicherheit gerecht zu werden, wird ein möglichst sicherer Cuttermessertyp für die jeweilige Schneidaufgabe gewählt. Eine Orientierung für die Auswahl:

  • Sehr sicher: Messer mit verdeckter Klinge, geeignet zum Beispiel für Folien, dünne Kartonage, Papier
  • Sicher: Messer mit automatischem, nicht beeinflussbarem Klingenrückzug, geeignet zum Beispiel für dicke Folien und Kartonage
  • Bedingt sicher: Messer mit automatischem, aber bewusst vermeidbarem Klingenrückzug, geeignet zum Beispiel für dickere Folien und Kartonage, häufig durch sicheren Typ ersetzbar
  • Nutzende können die Sicherheit steuern: Messer mit manuellem Klingenrückzug und kurzer Klinge, geeignet zum Beispiel für dickere Stoffe, Teppiche, Bodenbeläge, Leder, Folien und Kartonage, in den meisten Fällen durch bedingt sicheren Typ ersetzbar
  • Nutzende können die Sicherheit steuern: Messer mit manuellem Klingenrückzug und langer Klinge, geeignet zum Beispiel für ausgehärteten Montageschaum, Dämmstoffe, häufig durch bedingt sicheren Typ ersetzbar
  • Nutzende können Sicherheit steuern: Messer mit manuellem Klingenrückzug und segmentierter (Abbrech-) Klinge, geeignet zum Beispiel für häufiges Schneiden, dicke Folien und Kartonage, immer mit Abbrechbox ausgeben, in den meisten Fällen durch bedingt sicheren Typ ersetzbar
  • Sehr unsicher: Messer mit feststehender Klinge, keine Empfehlung wegen hoher Gefährdung, immer durch sichereren Typ ersetzbar

Cuttermesser mit dem GS-Zeichen sollten bevorzugt und der bestimmungsgemäße Gebrauch muss unterwiesen und geübt werden.

Für Gefährdungen sensibilisieren

Sicherheit ist bei der Benutzung von Cuttermessern zum großen Teil auch verhaltensabhängig. In Unterweisungen sind – idealerweise verbunden mit praktischen Übungen – unter anderem diese Gefahren und entsprechende verhaltensbasierte Maßnahmen zu behandeln:

  • Wegen Bruchgefahr bei langen Klingen sollte mit so kurzer Klinge wie möglich gearbeitet werden.
  • Befinden sich Körperteile in der Schnittlinie, besteht erhöhte Schnittgefahr. Beim Schneiden sollte daher Abstand gehalten werden.
  • Schnittgefahr bei nicht eingezogener Klinge: Klinge sofort einziehen.

Bei Cuttermessern mit langer Klinge wird die Elastizität der Klinge gerne genutzt, um sie bei einem flächenbündigen Schnitt auf die Schneidebene zu pressen. Dabei besteht die Gefahr, dass die durch das Pressen gebogene Klinge wegen der Seitenkräfte bricht. Wird eine Abbrechklinge auf diese Art und Weise genutzt, ist die Gefahr besonders groß. Schließlich wird bei Abbrechklingen genau diese Empfindlichkeit gegenüber Seitenkräften genutzt, um Segmente abzubrechen.

Cuttermesser mit Abbrechklingen gehören zu den meistverwendeten Typen. Ihr Vorteil ist, dass wenn eine Klinge verschlissen ist, schnell ein neues Segment genutzt werden kann. Oft wird das abgenutzte Segment an einer Kante, am Boden oder, wenn greifbar, mit Hilfe einer Zange abgebrochen. Das ist auch dann gängige Praxis, wenn das Cuttermesser mit einer Abbrechhilfe am Griffende ausgestattet ist (Abbildung 1). Um ein Segment abzubrechen, wird die Abbrechhilfe über das stumpfe Segment gesteckt. Mit Sicht auf die Sollbruchstelle wird das Segment dann nach unten gebogen und bricht entlang der Linie ab. Oft gibt es solche Abbrechhilfen selbst an preiswerten und oft auch minderwertigen Cuttermessern. Wegen abspringender Splitter ist die Klinge nach unten zu richten. Zudem ist hierbei eine Schutzbrille zu tragen. Sicherer kann ein Segment mit einer Abbrechbox gelöst werden, die das abgebrochene Element gleich aufnimmt, sodass sich niemand mehr daran verletzen kann.

Abbrechhilfe an einem preiswerten Cuttermesser; © BGHM

Besonders gefährlich ist auch das Schneiden mit hohem Kraftaufwand, zum Beispiel wenn dickes oder festes Material durchtrennt werden soll. Mit Cuttermessern mit automatischem Klingenrückzug kann das relativ sicher erfolgen, bei Messern mit arretierter Klinge sieht das anders aus: Wenn die Klinge am Ende der Schnittlinie aus dem Schneidgut gleitet, führt der hohe Kraftaufwand häufig zu unkontrollierter Messerbewegung.

Sicherheit ist auch bei der Auswahl des Messergriffs zu bedenken. Er muss zur Größe der Hand passen und ein sicheres Greifen auch dann ermöglichen, wenn er verschmutzt ist. Bei Messern mit Gummierung oder Beschichtung des Griffs kann davon ausgegangen werden. Die Form des Griffs sollte zudem Schutz gegen Abgleiten der Finger in Richtung Klinge bieten, etwa mit eingelassenem Bereich für die Finger in Verbindung mit ausreichendem Abstand von der Klinge.

Sind Griffe unsymmetrisch geformt, ist immer die Händigkeit zu bedenken. Wird die Klinge seitlich mit dem Daumen herausgeschoben, wie es bei manchen Cuttermessern mit automatischem, aber bewusst vermeidbarem Klingenrückzug der Fall ist, ist aus Sicherheitsgründen besonders zu beachten, ob die Person, die das Cuttermesser benutzt, Links- oder Rechtshänder ist. Am Markt sind Modelle verfügbar, die zum Beispiel durch Umbau für beidhändige Verwendung geeignet sind (Abbildung 2).

Ergonomische Aspekte tragen nicht nur zum Gesundheitsschutz, sondern auch zur Arbeitssicherheit und vor allem zur Qualität der Arbeit bei. Sind zum Beispiel hohe Schneidkräfte erforderlich, sollte das Schneidgut so hoch angeordnet sein, dass es mit abgesenkten Schultern bearbeitet werden kann. Messerhalter an einem Schneidetisch bringen Sicherheit, Ordnung und Überblick. Ablagen für weitere Arbeitsmittel wie Schienensysteme mit Systemmessern, Streifenschneider, Schnellspanner oder Gipshobel optimieren den Arbeitsablauf.

Anpassbare Tischhöhen sind gut für eine ergonomische Körperhaltung. Auf Baustellen können Schneidplätze mit modularen Elementen wie Arbeitsböcken und (Tisch-) Platten mit Aussparungen für Schnittlinien eingerichtet werden. Außerdem sollte sich bei der Schneidaufgabe nur die ausführende Person im Arbeitsbereich aufhalten. Gutes und ausreichendes Licht erleichtert die Koordination der Schneidarbeit und trägt bedeutend zur Arbeitssicherheit bei.

Persönliche Schutzausrüstung wie schnittfeste Handschuhe darf den sicheren Griff des Messers nicht mindern. Deshalb sollten die Beschäftigten ausprobieren, wie sich ein Messer mit Handschuhen nutzen lässt. Erfordert die Aufgabe das Tragen stichfester Kleidung, so ist auf guten Sitz zu achten, um die Bewegungsfreiheit nicht einzuschränken.

Ralf Schulz, BGHM

Checkliste zur Unterstützung bei der Cuttermesser-Wahl und bei der Gefährdungsbeurteilung
1. Wurde eine Gefährdungsbeurteilung durchgeführt?
2. Wurde der Einsatz alternativer Verfahren und/oder Werkzeuge geprüft?
3. Wurde der für die Aufgabe sicherste Cuttermessertyp gewählt?
4. Wurde auf die Händigkeit der Beschäftigten geachtet?
5. Wurden unterstützende Arbeitsmittel wie Abbrechbox, Gürteltasche (Holster) und Persönliche Schutzausrüstung wie Schutzbrille und Schnittschutzhandschuhe ausgegeben?
6. Wurde angemessen unterwiesen und das beabsichtigte Schneidverfahren geübt?
Fester Schneidplatz:
7. Gibt es eine höhenverstellbare Arbeitsfläche?
8. Gibt es für Rollenware (Folien, Papier) ein Abrollgestell mit Schneidvorrichtung?
9. Ist der Arbeitsplatz frei von Überdeckung mit anderen, gleichzeitig bedienten Arbeitsflächen?
10. Gibt es Ablageplätze für die Arbeitsmittel, wie Schienensystem, Kantenhobel, Ersatzklingen oder eine Box für die Klingenentsorgung?
11. Ist die Beleuchtung für die Aufgabe angemessen ausgelegt (siehe Technische Regel für Arbeitsstätten ASR A3.4 „Beleuchtung“)?
Mobiler Arbeitsplatz:
12. Kann ein Schneidplatz in angemessener Weise eingerichtet werden?
13. Wurde eine für die Arbeitsaufgabe geeignete Kombination von Cuttermesser und Gürteltasche ausgegeben?
14. Wurde berücksichtigt, dass bei unterschiedlichen Schneidaufgaben gegebenenfalls auch mehr als ein Messer mitgeführt wird?

 

Umbau von rechte auf linke Handdominanz; © BGHM