Von A wie Ausbildung bis V wie Verkehrswege
Schwerpunktthema: Flurförderzeuge
Flurförderzeuge sind aus dem innerbetrieblichen Transport nicht wegzudenken. Die Bandbreite der eingesetzten Geräte ist groß. Neben den wohl am häufigsten genutzten Frontgabelstaplern kommen Kommissionier-, Stand-, Quersitz- und Querstapler zum Einsatz. Auch die sich immer größerer Beliebtheit erfreuenden Routenzüge und die sogenannten Kommissionierhilfen sowie Multifunktionsfahrzeuge fallen unter diesen Begriff. So nützlich diese Geräte sind – beim Betreiben sind einige Maßnahmen für sichere und gesunde Arbeit zu beachten.
Die Unfallstatistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) verzeichnet für das Jahr 2019 branchenübergreifend insgesamt mehr als 36.000 meldepflichtige Arbeitsunfälle beim Einsatz von Flurförderzeugen. 12 dieser Unfälle endeten tödlich; 563 Unfälle führten zu Unfallrenten, weil die Verletzungen der beteiligten Personen so schwer waren, dass sie einen dauerhaften körperlichen Schaden nach sich zogen.
Diese Zahlen zeigen das Gefährdungspotenzial, das Flurförderzeuge als Transportmittel in sich bergen. Diesem muss mit entsprechenden Schutzmaßnahmen begegnet werden. Allen Flurförderzeugen ist gemeinsam, dass sie in den Geltungsbereich der DGUV Vorschrift 68 „Flurförderzeuge“ fallen. Diese Vorschrift regelt den sicheren Betrieb und stellt klare Anforderungen für sichere und gesunde Arbeit – an Unternehmerinnen, Unternehmer und an Personen, die die Geräte bedienen.
Ausbildung je nach Geräteart
Die DGUV Vorschrift 68 fordert unter anderem, dass der Unternehmer oder die Unternehmerin zum Fahren von Flurförderzeugen nur Personen beauftragt, die entsprechend ausgebildet und körperlich geeignet sind. Für reine Mitgängerflurförderzeuge gilt: Es reicht, die Bedienerinnen und Bediener zu unterweisen. Verfügen diese Geräte jedoch über einen klappbaren Fahrerstand und sind sie schneller als 6 km/h, ist auch hier eine Ausbildung erforderlich.
Inhalt und Dauer dieser Ausbildung regelt der DGUV Grundsatz 308-001 „Ausbildung und Beauftragung der Fahrer von Flurförderzeugen mit Fahrersitz und Fahrerstand“. Darin werden für die Grundausbildung (Stufe 1) mindestens je zehn Lehreinheiten für Theorie und Praxis gefordert. Der DGUV-Fachbereich „Handel und Logistik“ hat ein Personenzertifizierungsprogramm entwickelt, welches einen gewissen Qualitätsstandard in der Ausbildung der Fahrerinnen und Fahrer von Flurförderzeugen gewährleisten soll.
Die zertifizierten Ausbilderinnen und Ausbilder garantieren eine umfassende Schulung mit adäquater technischer Ausstattung gemäß DGUV Grundsatz 308-001. Eine Liste der von der DGUV zertifizierten Ausbilderinnen und Ausbilder findet sich in der Zertifikatsdatenbank der DGUV unter zzmweb.dguv.de.
Neben der Ausbildung sind auch Einweisungen in den Umgang mit dem zu bedienenden Gerät sowie vorhandener Anbaugeräte und in die damit verbundene Arbeitsaufgabe sowie ein schriftlicher Fahrauftrag erforderlich. Auch für die Fahrerinnen und Fahrer von Routenzügen sind die Ausbildungsinhalte des DGUV Grundsatzes 308-001 zu beachten, die jedoch nicht in vollem Umfang behandelt werden müssen, wenn ausschließlich Routenzüge bedient werden. Schwerpunkte sollten hier auf der Betriebsanleitung und den betrieblichen Gegebenheiten liegen. Es werden auch nur diese Sachverhalte im Ausbildungsnachweis bescheinigt.
Eine Sonderrolle nehmen Geräte wie Etagenheber, Multi-funktionsfahrzeuge und Kommissionierhilfen ein, die ebenfalls häufig in Betrieben genutzt werden. Viele Hersteller beziehungsweise Händler werben damit, dass es sich dabei nicht um Flurförderzeuge handelt und deshalb keine Ausbildung erforderlich sei. Doch hier ist Vorsicht geboten. Denn nach der Begriffsbestimmung der DGUV Vorschrift 68 sind auch diese Geräte Flurförderzeuge.
Eine abschließende Klärung zwischen dem DGUV-Fachbereich „Handel und Logistik“ und den Herstellerinnen und Herstellern solcher Geräte steht noch aus. Es ist deshalb dringend zu empfehlen, auch die Bedienpersonen derartiger Geräte ausbilden zu lassen und schriftlich zu beauftragen.
Gefährdungsbeurteilung, Betriebsanweisung, Unterweisung
Grundlage des sicheren Einsatzes von Flurförderzeugen ist die Gefährdungsbeurteilung nach Paragraf 5 Arbeitsschutzgesetz. In ihr hat der Unternehmer beziehungsweise die Unternehmerin zu beurteilen, welche Gefährdungen beim Einsatz von Flurförderzeugen vorliegen, welche Schutzmaßnahmen zu treffen sind und ob Handlungsbedarf bei deren Umsetzung besteht. Aus der Gefährdungsbeurteilung lassen sich Betriebsanweisungen ableiten, die den Bedienpersonen zur Verfügung zu stellen sind.
Betriebsanweisungen bilden auch die Grundlage für Unterweisungen. Die DGUV Vorschrift 1 „Grundsätze der Prävention“ fordert in Paragraf 4 die Unterweisung der Versicherten vor Aufnahme der Beschäftigung und danach mindestens einmal jährlich. Die Bedienerinnen und Bediener von Flurförderzeugen müssen demnach auch unterwiesen werden. Immer wieder werden Betrieben von Dienstleistern regelmäßige Auffrischungen der Ausbildung zum Fahren von Flurförderzeugen angeboten.
Die BGHM erreicht dann oft die Frage, ob diese Auffrischung notwendig ist. Das ist klar mit „Nein“ zu beantworten. Jedoch sind regelmäßige betriebliche Unterweisungen durchzuführen, bei denen betriebsspezifische Aspekte zu berücksichtigen sind. Ein Unterweisungsanlass ist zudem, wenn sich Fahrerinnen und Fahrer sicherheitswidrig verhalten – wenn sie also zum Beispiel beim Rückwärtsfahren nicht nach hinten schauen oder bereits bei der Anfahrt an das Regal die Gabeln sicherheitswidrig nach oben fahren.
Wenn Beschäftigte ein neues Flurförderzeug zu bedienen haben, sich die Arbeitsaufgabe oder betriebliche Gegebenheiten ändern oder es zu Unfällen oder Beinaheunfällen gekommen ist, muss unabhängig von den regelmäßigen Unterweisungen ebenfalls neu unter-wiesen werden.
Verkehrswege sicher einrichten
Forderungen hinsichtlich der Beschaffenheit von Verkehrswegen, auf denen Flurförderzeuge gefahren werden, finden sich in der Arbeitsstättenregel ASR A1.8 „Verkehrswege“. Besondere Bedeutung hat dabei die Wegbreite. Diese ist mit einer Faustformel gut zu überprüfen und bemisst sich aus der Breite des Fahrzeuges oder der Breite der Last, wenn sie im Regelfall über der Fahrzeugbreite liegt, plus einem Sicherheitsabstand von 0,5 Metern zu beiden Seiten.
Ist mit Gegenverkehr zu rechnen, ist die Fahrzeug- beziehungsweise Lastbreite zu verdoppeln und es wird noch ein Begegnungs-zuschlag von 0,4 Metern addiert. Wird der Sicherheits- abstand von 0,5 Metern nach jeder Seite nicht eingehalten, spricht man von einem sogenannten Schmalgang. Hier müssen zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen getroffen werden, um eine Kollision von Flurförderzeug und Person zu verhindern. Durchgesetzt haben sich hierfür Personenerkennungssysteme am Flurförderzeug und Lichtschrankensysteme an den Zugängen der Schmalgänge. Detaillierte Hinweise dazu finden sich in der DGUV Information 208-030 „Personenschutz beim Einsatz von Flurförderzeugen in Schmalgängen“.
Fahrerrückhalteeinrichtungen
Alle Frontgabelstapler müssen mit einer Fahrerrückhalteeinrichtung versehen sein. Diese gewährleistet, dass der Fahrer oder die Fahrerin beispielsweise bei einem im Gefahrfall seitlich kippenden Gabelstapler auf dem Sitz gehalten wird. Eine passende Fahrerrückhalteeinrichtung rettet Leben und bewahrt vor schweren Verletzungen.
Auf dem Markt befindliche Systeme sind geschlossene Fahrerkabinen, Türbügelsysteme und der Beckengurt. Die geschlossene Fahrerkabine und das Türbügelsystem sind besonders wirksam, weil sie nicht umgangen werden können. Die Akzeptanz von Beckengurten ist dagegen oft gering, besonders wenn Fahrende häufig auf- und absteigen müssen. In solchen Fällen ist es ratsam, sich gleich bei der Beschaffung von Neugeräten für ein Türbügelsystem zu entscheiden.
Einsatz von Arbeitsbühnen
Seit Inkrafttreten der Technischen Regel zur Betriebssicherheitsverordnung TRBS 2121 Teil 4 „Ausnahmsweises Heben von Beschäftigten mit hierfür nicht vorgesehenen Arbeitsmitteln“ erreichen die BGHM immer wieder Anfragen dieser Art: Sind Arbeitsbühnen an Gabelstaplern erlaubt? Die kurze Antwort lautet: Ja, wenn die Regeln der DGUV Information 208-031 „Einsatz von Arbeitsbühnen an Flurförderzeugen mit Hubmast“ eingehalten werden.
Kurz zusammengefasst sind das folgende Punkte:
- Die Tragfähigkeit des Staplers muss mindestens fünfmal größer sein als das Gewicht der Arbeitsbühne und deren Zuladung.
- Die Arbeitsbühne benötigt ein dreiteiliges Geländer bestehend aus Handlauf, Knie- und Fußleiste von mindestens 1 Meter Höhe und einen mindestens 1,80 Meter hohen Rückenschutz in Richtung Hubmast (Sicherung vorhandener Quetsch- und Scherstellen).
- Die Befestigung der Arbeitsbühne am Stapler muss formschlüssig erfolgen.
- Der Standplatz darf nicht größer als 1200 x 800 Millimeter sein und muss sich in Höhe der Gabelzinken befinden.
- Bei angehobener Arbeitsbühne darf der Stapler nicht verfahren werden. Ausnahme: Feinpositionierung im Zentimeterbereich und der oder die Fahrende darf das Fahrzeug nicht verlassen.
- Die Absenkgeschwindigkeit darf maximal 0,6 m/s betragen.
Routenzüge
Beim Einsatz von Routenzügen kommen häufig Anhänger mit Abmessungen zum Einsatz, die verhindern, dass Beschäftigte den Zug bis zu dessen Ende überblicken können. Wenn das der Fall ist, sind Maßnahmen zu treffen, die ein Zwischentreten von Personen zwischen die Anhänger verhindern. Bewährt haben sich Ketten, Bänder oder Gummis, die zwischen den Anhängern parallel zur Deichsel laufen.
Ergänzt werden können derartige Maßnahmen durch ein akustisches Signal von mindestens zwei Sekunden vor dem Anfahren oder die Begrenzung der Anfahrgeschwindigkeit auf 0,3 m/s für mindestens 5 Sekunden. Ausführliche Hinweise zum sicheren Betrieb von Routenzügen finden sich in der DGUV Information 208-057 „Einsatz von Schleppern und Anhängern als Routenzüge“.
Herwig Kochan, BGHM
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