Rückblick, Ausblick, Persönliches – die BGHM-Vorstandsvorsitzenden im Gespräch

Sozialversicherungswahl 2023

Ehrenamtlich  aus der Praxis für die Praxis: So sind die Mitglieder der Selbstverwaltung der BGHM tätig. In enger Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung und den Beschäftigten der BGHM leitet sie die Geschicke der Berufsgenossenschaft. Dabei vertritt sie die Interessen der Arbeitgeber und der rund 5,1 Millionen Versicherten in den circa 245.000 Betrieben der Branchen Holz und Metall.

2023 wird die Vertreterversammlung, das zentrale Selbstverwaltungsorgan der BGHM, nach sechsjähriger Legislaturperiode wieder gewählt (siehe Infokasten). Angesichts dieses bevorstehenden Ereignisses fragt das BGHM-Magazin bei den Vorstands­vorsitzenden Bernhard Wagner und Professor Dr. Eckhard Kreßel nach: Welche Themen waren Ihnen in der vergangenen Legislaturperiode besonders wichtig? Welche Aspekte werden in den kommenden sechs Jahren in Sachen Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit im Fokus stehen?

Rückblick, Ausblick, Persönliches – die BGHM-Vorstandsvorsitzenden im Gespräch

Sie sind ehrenamtlich Vorsitzende des Vorstandes der BGHM. Was waren für Sie die Meilensteine in den vergangenen sechs Jahren, also seit der letzten Sozialwahl im Jahr 2017?

Bernhard Wagner ist Vorsitzender des Vorstands der BGHM auf Arbeitnehmerseite. Bernhard Wagner ist Vorsitzender des Vorstands der BGHM auf Arbeitnehmerseite. Bei der Daimler AG in Rastatt ist er als Betriebsrat tätig – ursprünglich arbeitete er dort im werksärztlichen Dienst. Bereits seit 2005 ist Wagner Mitglied der Selbstverwaltung der BGHM, seit 2017 ist er Vorstandsvorsitzender.

Bernhard Wagner: Als großen Meilenstein empfinde ich die tiefgreifende Berufskrankheiten-Reform des Jahres 2021, insbesondere den Wegfall des Unterlassungszwanges. Durch die Reform wird es vielen Versicherten erleichtert, eine angemessene Entschädigung ihrer gesundheitlichen Folgen aufgrund ihrer Tätigkeit zu erhalten, ohne diese zwangsläufig aufgeben zu müssen. Ein weiteres Thema, welches diese Amtsperiode geprägt hat, ist sicherlich die Corona-Pandemie. Allerdings haben wir als BGHM es stets geschafft, in dieser Zeit für unsere Versicherten und die Unternehmerinnen und Unternehmer als Ansprechpartner da zu sein und wann immer möglich vor Ort zu unterstützen.

Die Pandemie hat sicherlich auch die umfassenden Regelungen und Rechtsprechungen zum Unfallversicherungsschutz im Homeoffice beschleunigt. Auch die organisatorische Neuaufstellung innerhalb der Kernbereiche Prävention und Reha mit Blick auf die Bedarfe der Unternehmerinnen und Unternehmer sowie Versicherten ist ein begrüßenswerter Schritt zur zukunftsorientierten Ausrichtung der BGHM.

Professor Dr. Eckhard Kreßel: Die Corona- Pandemie ist eine Herausforderung für unsere  Betriebe in einem Ausmaß, mit dem die Selbstverwaltung in den vorherigen Amtsperioden so noch nie konfrontiert worden war. Für mich war ein wichtiger Meilenstein und Erfolg, in dieser schwierigen Zeit die Betriebe vor Ort bei der Bewältigung der Folgen zu unterstützen und die Betreuung der Versicherten sicherzustellen. Auch die Sicher­stellung einer soliden finanziellen Basis unserer BG stellt einen wichtigen Grundstein für die Zukunft und die bevorstehenden Herausforderungen dar.

Ein weiterer bedeutsamer Schritt ist die Etablierung der strategischen Partnerschaft mit der VBG in der neu gegründeten IT-Kooperation NOVA. Ich bin überzeugt, dass wir nur zusammen mit Kooperationspartnern auch in Zukunft noch weiterhin gut aufgestellt und effizient bleiben. Eine gute Zusammenarbeit ist nicht immer selbstverständlich, daher bin ich sehr froh, dass die Kooperationen so positiv angelaufen sind. Aber nicht nur mit der VBG konnten wir erfolgreich zusammenwirken, auch die Zusammenarbeit unter den Sozialpartnern sowie mit dem Hauptamt habe ich in den vergangenen Jahren als sehr konstruktiv und erfolgreich wahrgenommen.

Eckhard Kreßel ist seit Mai 2007 als Arbeitgebervertreter Mitglied im Vorstand der BGHM, seit August 2015 ist er Vorstandsvorsitzender.Eckhard Kreßel ist seit Mai 2007 als Arbeitgebervertreter Mitglied im Vorstand der BGHM, seit August 2015 ist er Vorstandsvorsitzender. Beruflich leitete er bis 2017 die Direktion Personal- und Arbeitspolitik der Daimler AG in Stuttgart. Kreßel ist Rechtsanwalt und seit 1994 außerplanmäßiger Professor an der Universität Würzburg.

Warum engagieren Sie sich ehrenamtlich im Vorstand der BGHM? Was ist Ihnen besonders wichtig?  

Wagner: Meine Tätigkeit im Vorstand der BGHM gibt mir die Möglichkeit, mich für jeden Einzelnen und jede Einzelne einzusetzen und im Sinne aller Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Mein Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass Verletzte und Erkrankte bestens versorgt werden. Daher ist mir zum einen die hohe Qualität der Leistungen wichtig und zum anderen, dass Unfälle und Berufskrankheiten bestmöglich verhütet werden. Ebenso relevant ist, dass das System der gesetzlichen Unfallversicherung bestehen bleibt und nicht in privatwirtschaftliche Formen umgewandelt wird. Aus meiner Sicht kann nur eine staatliche Lösung mit Unfallversicherungsträgern ohne Gewinnabsicht ein soziales und gerechtes Versicherungssystem im Arbeitsbereich dar­stellen.  

Prof. Dr. Kreßel: Der Schutz der Beschäftigten gehört nach meinen Erfahrungen in der Industrie zu den zentralen Anliegen in den Unternehmen und ist zudem auch ein wichtiger Wettbewerbsfaktor. Ich bin davon überzeugt, dass sichere Arbeit ein Motivationstreiber für die Beschäftigten ist und sich positiv auf die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens auswirkt. Mein Ehrenamt im Vorstand der BGHM ermöglicht es mir, dieses wichtige  Thema zu fördern und zu gestalten. Besonders spannend wird es, die strukturellen Ver­änderungen in unseren Branchen aus Sicht  des Arbeitsschutzes zu begleiten.  

Mit Ihrer Erfahrung: Was sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Themen für den Vorstand in den kommenden Jahren?  

Wagner: Eine wegweisende Gesetzesänderung im Bereich der Selbstverwaltung war die Modernisierung der Sozialwahl durch Anpassungen des  SGB IV. Unter anderem soll nach der nächsten Sozialwahl die Selbstverwaltung zu 40 Prozent mit Frauen besetzt sein. Ebenso ist die Vereinheit­lichung von Arbeitsschutz durch branchenübergreifende Regelwerke voranzubringen. Dabei darf aber die Betrachtung individueller Präventionsschwerpunkte für die Branchen der BGHM nicht leiden. Diese sollen weiterverfolgt werden, um auch den individuellen Bedarf an Arbeitsschutz nicht aus dem Auge zu verlieren. Auch die Stärkung der Themen und Fragestellungen aus den Betrieben des Handwerks ist ein wichtiges Thema für die kommenden Jahre. Im Bereich der Rehabilitation wird die zukunftssichere Aufstellung der BG Kliniken zunehmend an Relevanz gewinnen, um Versorgungssicherheit für unsere Versicherten garantieren zu können. Auch hier sind strategische Kooperationen in der Region ein erfolgsversprechendes Mittel. Für uns als BGHM ist sicherlich das Auffangen der Folgen der Pandemie sowie der aktuell angespannten gesamtwirtschaftlichen Lage mit dem Ziel der Absicherung der Leistungen bei fairen Beiträgen für unsere Unternehmerinnen und Unternehmer ein wichtiges Ziel.  

Prof. Dr. Kreßel: Wir erleben aktuell eine Zeit des Wandels in vielen Bereichen. Die Selbstverwaltung wird in den kommenden Jahren den Strukturwandel unserer Branchen begleiten und hierbei insbesondere auch den wirtschaftlichen Aspekt nicht außer Acht lassen dürfen. Für die Versorgung unserer Versicherten haben wir die Häuser im BG Klinikverbund. Unsere Kliniken müssen wir ebenso wie uns als Verwaltung zukunftsfähig aufstellen. Durch die strategischen Partnerschaften an den einzelnen Klinikstandorten sind wir hier bereits einen großen Schritt auf dem Weg gegangen. Aber auch wir als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung wollen unsere Zusammenarbeit ausbauen und unsere Kräfte bündeln – etwa im Bereich des Arbeitsschutzes. Im Fokus stehen aus unserer Sicht in den kommenden Jahren vor allem die Klein- und Kleinstbetriebe; die Sicherstellung der Betreuung und Beratung dieser Unternehmen bildet einen Schwerpunkt unserer aktuellen Arbeit innerhalb der DGUV. Aber auch die BGHM setzt individuelle Präventionsschwerpunkte für die Beschäftigten unserer Branchen. So werden die beiden Themen „Lärm“ und „Sicheres Schweißen“ im Rahmen von Kampagnen in die Betriebe hineingetragen. 

Gut zu wissen

Sozialwahl 2023 – wer wählt was?

Im Jahr 2023 können rund 5,1 Millionen Versicherte in mehr als 245.000 Betrieben aus den Branchen Holz und Metall bestimmen, wer ihre Interessen bei den Themen wie Arbeitssicherheit und betrieblicher Gesundheitsschutz, Rente, Unfall und Berufskrankheiten in den kommenden sechs Jahren in der BGHM vertreten soll. Dann steht nämlich die nächste Sozialwahl an. „Die BGHM ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung“, erklärt Christian Heck, Hauptgeschäftsführer der BGHM. „Das zentrale Selbstverwaltungsorgan ist die Vertreterversammlung, die alle sechs Jahre aus der Sozialwahl hervorgeht.“ Die Vertreterversammlung gleicht in ihrer Funktion einem Parlament. Sie erlässt beispielsweise die Satzung, den Gefahrtarif sowie Unfallverhütungsvorschriften und stellt den Haushalts- und Stellenplan fest. Zudem wählt sie den Vorstand, der die BGHM gerichtlich und außergerichtlich vertritt und für Grundsatzfragen zuständig ist. Diesem steht wiederum die Geschäftsführung beratend zur Seite. Besetzt sind die Vertreterversammlung und der Vorstand paritätisch, also zu gleichen Teilen mit Vertreterinnen und Vertretern von Arbeitgebern und Versicherten. Die Mitglieder bringen ihr Wissen und ihre Erfahrungen aus den Betrieben ehrenamtlich in die Selbstverwaltungsorgane und -gremien ein und ermöglichen so praxisnahe Entscheidungen. Übrigens: Gewählt wird 2023 nicht nur bei der BGHM. Die Sozialwahl findet bei allen Trägern der gesetzlichen Renten-, Kranken- und Unfallversicherung statt.

Sozialwahl 2023 – wer wählt was?

Weitere Informationen

Ausgabe 6/2022