DGUV Information 209-054 für die Holz- und Metallindustrie
Biostoffe: Gefährdungen, Gefährdungsbeurteilung und Schutzmaßnahmen
Die gute Nachricht vorab: In den Tätigkeitsbereichen der Holz- und Metallindustrie ist nicht von einer grundsätzlich erhöhten Gefährdung durch Biostoffe auszugehen. Dennoch können in Einzelfällen Gefährdungspotenziale entstehen, etwa weil Schutzmaßnahmen nicht eingehalten werden. Im ungünstigsten Fall kann dies zu einer Berufskrankheit führen. Auch die persönliche Veranlagung der Beschäftigten, wie Vorerkrankungen oder Allergien, spielen hier eine Rolle.
Die DGUV Information 209-054 „Tätigkeiten mit Kontakt zu Biostoffen in der Holzund Metallindustrie“ informiert über mögliche Gefährdungen, die Gefährdungsbeurteilung und Schutzmaßnahmen. Die DGUV Information 209-054 wurde vollständig überarbeitet, aktualisiert und um relevante Themen- und Tätigkeitsbereiche erweitert.
Der erste „Allgemeine Teil“ und der zweite „Spezielle Teil“, in dem sich Beispiele für Tätigkeiten und Arbeitsbereiche mit möglichem Kontakt zu Biostoffen finden, wurden um den dritten Abschnitt „Tätigkeiten außerhalb des Anwendungsbereichs der BioStoffV“ ergänzt.
Im „Allgemeinen Teil“ geht es vorrangig um grundlegende Informationen. So wird der Begriff Biostoff erläutert, der gleichbedeutend mit „biologischer Arbeitsstoff“ ist. Es handelt sich hierbei nicht um eine (natur-)wissenschaftliche Definition, sondern um einen aus dem Englischen übersetzten Begriff aus dem Arbeitsschutz: Biological Agent. Vereinfacht gesagt sind Biostoffe in der Regel mikroskopisch kleine, also mit bloßem Auge nicht sichtbare Lebewesen. In den Branchen Holz und Metall handelt es sich hauptsächlich um Bakterien und Schimmelpilze. Mikroorganismen sind Bestandteile der belebten Natur. Sie kommen im Wasser, im Boden und in der Luft vor, im Arbeitsbereich wie im Privaten. Biostoffe sind also nicht per se „gefährliche Stoffe“.
Deshalb gibt es in der Biostoffverordnung (BioStoffV), im Unterschied zur Gefahrstoffverordnung, kein Grenzwertekonzept und keine Messverpflichtung. Vielmehr basiert die Biostoffverordnung auf einem präventiven Ansatz: Ziel ist es, eine Exposition der Beschäftigten zu vermeiden beziehungsweise zu minimieren, unabhängig davon, ob von einer Gesundheitsgefährdung auszugehen ist oder nicht. Dies ist ein weiterer grundlegender Unterschied zur Gefahrstoffverordnung. Es geht also nicht darum, Biostoffe unter allen Umständen zu „eliminieren“ und Arbeitsprozesse „keimfrei“ zu gestalten – Bereiche im Gesundheitswesen ausgenommen. Stattdessen sollen die Kontakte der Beschäftigten zu Biostoffen durch technische, organisatorische und persönliche Schutzmaßnahmen minimiert werden, eine sogenannte Expositionsminimierung.
Praxis-Beispiele für Tätigkeiten mit Biostoff-Kontakt
Typische Tätigkeiten und Arbeitsbereiche in der Holz- und Metallindustrie mit Kontakt zu Biostoffen werden im „Speziellen Teil“ der DGUV Information 209-054 beschrieben. Allen voran stehen hier die Tätigkeiten mit wässrigen (Umlauf-)Systemen, wie
- wässrigen Reinigungssystemen,
- offenen und geschlossenen Kühlkreisläufen,
- wässrigen Abschreckmedien,
- Prozesswässern und
- wässrigen Bearbeitungssystemen (zum Beispiel mit wassergemischten Kühlschmierstoffen).
In diesen Systemen dominieren Bakterien, die sich als einzellige Lebewesen untergetaucht (submers) verteilen. Bei hoher Besiedlungsdichte machen sich Veränderungen des wässrigen Mediums wie Schaumbildung, Verfärbungen, Geruch, Spaltung von Emulsionen und technische Einbußen bemerkbar. Schimmelpilze, die meist über die Außenluft eingetragen werden, können sich sowohl in wassergeführten Anlagen, zum Beispiel an Rohrleitungen, als auch aufgrund der hohen Luftfeuchtigkeit im Arbeitsbereich ansiedeln. Daher ist auf eine gute Maschinenabsaugung beziehungsweise Be- und Entlüftung der Arbeitsbereiche zu achten.
Einen weiteren großen Bereich nehmen die Instandhaltungstätigkeiten ein. Bei Reparatur- und Servicetätigkeiten sind Beschäftigte der Holz- und Metallindustrie in fast allen anderen Branchen tätig, zum Beispiel in der Abfallwirtschaft, in abwasser- und raumlufttechnischen Anlagen, an kontaminierten Nutzfahrzeugen und Behältern bis hin zu medizintechnischen Geräten.
Ob bei diesen Tätigkeiten eine mögliche Gefährdung vorliegt, muss zuvor im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ermittelt werden. So würde für einen Monteur eine Reparatur in einem klinischen Bereich ohne Kontakt zu Patienten beziehungsweise sogenanntem Patientenmaterial, also beispielsweise Gewebeproben oder Blut, kein erhöhtes Infektionsrisiko bedeuten. Reparaturoder Installationsmaßnahmen in Räumlichkeiten mit hoher Schimmelpilz- oder Taubenkotbelastung machen dagegen Schutzmaßnahmen erforderlich.
Ob eine berufliche Tätigkeit in den Anwendungsbereich der Biostoffverordnung fällt, ist maßgebend abhängig von ihrer Ausrichtung. Kommt es nicht aufgrund der Tätigkeit zu einem Kontakt mit Biostoffen, sondern liegt unabhängig von ihr ein passives Ausgesetztsein vor, greift die Biostoffverordnung nicht; hier gelten teils andere Arbeitsschutzbestimmungen. Beispielhafte Szenarien dafür inklusive Hinweisen für Schutzmaßnahmen werden im letzten Teil der DGUV Information 209-054 beschrieben.
Dr. Isabel Warfolomeow, BGHM
Gut zu wissen
Die Biostoffverordnung regelt den Umgang mit Biostoffen am Arbeitsplatz. Ihre Grundlage ist die europäische Richtline über den „Schutz der Arbeitnehmer gegen Gefährdung durch biologische Arbeitsstoffe bei der Arbeit“ (Richtlinie 90/679/EWG vom 26. November 1990). Mit der Biostoffverordnung wurde die Richtlinie im April 1999 in nationales Recht umgesetzt.
Ausgabe 4/2023