Wege auf dem Betriebsgelände

Beim Kaffeeholen ausgerutscht

Eine Verwaltungsangestellte rutschte auf dem Weg zum Kaffeeholen an einem Getränkeautomaten im Sozialraum der Arbeitsstätte aus und zog sich unter anderem einen Bruch des dritten Lendenwirbelkörpers zu. Das Hessische Landessozialgericht (LSG) hatte zu entscheiden, ob die Versicherte zum Zeitpunkt des Unfalls auf einem versicherten Weg gewesen war.

Eigenwirtschaftliche Wege sind auch im Betrieb grundsätzlich nicht gesetzlich unfallversichert. Die entscheidende Frage für das Urteil des Hessischen Sozialgerichts war daher, ob das Zurücklegen des Weges zum Kaffeeholen im Betriebsgebäude im inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stand.

Das LSG stellte fest, dass ein Weg vom Arbeitsplatz hin zu einem anderen Ort mit der Handlungstendenz, sich Nahrungsmittel zu besorgen oder zu konsumieren, grundsätzlich versichert sei. Dieser Versicherungsschutz beruhe darauf, dass dieser Weg in zweierlei Hinsicht mit der Betriebstätigkeit verknüpft sei.

Beim Kaffeeholen ausgerutscht; © mariapom/stock.adobe.com

Zum einen diene die beabsichtigte Nahrungsaufnahme während der Arbeitszeit im Gegensatz zur bloßen Vorbereitungshandlung vor der Arbeit dazu, die Arbeitsfähigkeit aufrechtzuerhalten und damit die betriebliche Tätigkeit fortführen zu können. Als Vorbereitungshandlung gilt etwa der vorherige Kauf von Lebensmitteln, die während des Arbeitstages verzehrt werden sollen. Zum anderen handele es sich um einen Weg, der in seinem Ausgangs- und Zielpunkt von der Notwendigkeit geprägt sei, im Beschäftigungsbetrieb anwesend zu sein und dort betriebliche Tätigkeiten zu verrichten.

Unaufschiebbare und notwendige Handlung

Auch die Tatsache, dass die Versicherte sich erst kurz vor Arbeitsende einen Kaffee holen wollte, sodass der Zweck, die Arbeitskraft zu erhalten, eher fraglich war, änderte nichts an der Einschätzung des LSG, dass Versicherungsschutz vorlag. Es führte aus, dass es sich beim Verzehr oder Einkauf von Lebensmitteln regelmäßig um eine unaufschiebbare, notwendige Handlung handele, die geeignet sei, die Arbeitskraft der Versicherten zu erhalten, und die es ihnen ermögliche, die betriebliche Tätigkeit fortzusetzen. Dabei könne es für den Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung auch keinen Unterschied machen, ob sich Versicherte einen Kaffee oder ein Wasser holen wollen.

Die bisherige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), dass der Versicherungsschutz auf dem Hinweg und auf dem Rückweg jeweils an der Außentür des Gebäudes der Kantine, der Gaststätte, des Lebensmittelgeschäfts oder des Einkaufszentrums ende und wieder beginne, sei auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar. Die Versicherte habe weder eine Kantine noch ein Einzelhandelsgeschäft betreten und auch keinen Raum zur Nahrungsaufnahme, als sie sich in den Sozialraum begab.

Nach Auffassung des LSG erscheint es – zur Klärung der Frage, bis zu welcher Grenze der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht – vielmehr als sachgerecht, innerhalb des Betriebsgebäudes und in der räumlichen Sphäre des Arbeitsgebers vor allem auf die durch objektive Anhaltspunkte bestätigte Handlungstendenz der Versicherten abzustellen. Ein grundsätzlich versicherter Weg auf dem Betriebsgelände werde nicht durch die Tür des Raumes begrenzt, in dem der Getränkeautomat steht, solange bei der versicherten Person noch eine betriebliche Handlungstendenz gegeben sei. Die Revision gegen die Entscheidung wurde zugelassen. ( Hessisches LSG, Urteil vom 07.02.2023, L 3 U 202/21)

Thomas Dunz, BGHM

Ausgabe 4/2023