Arbeits- und Wegeunfälle
Tierische Gefahren
Werden Menschen bei der Betreuung von Haustieren, etwa beim Spazierengehen mit dem Hund, verletzt, kann es sich unter Umständen um einen Arbeits- oder Wegeunfall handeln, der damit gesetzlich unfallversichert ist. Wann das der Fall sein kann, zeigen Beispiele aus der Rechtsprechung.
Eine Nachbarin unterstützte eine erkrankte Bekannte. Dazu führte sie dreimal täglich den Hund aus, kaufte dreimal wöchentlich ein und verrichtete einmal in der Woche Gartenarbeit. Damit war sie nach Ansicht des Bundessozialgerichts (BSG) nach dem Gesamtbild wie eine Haushälterin tätig und als „Wie-Beschäftigte“ anzusehen. Somit war sie während dieser Tätigkeiten gesetzlich unfallversichert – auch beim Gassigehen mit dem Hund (BSG vom 26.04.1990, Az. 2 RU 39/89).
Dagegen war eine Nachbarin, die den Hund eines Nachbarn für vier Wochen während dessen Urlaubs in Obhut genommen hatte, nicht wie eine Beschäftigte versichert. Insofern galt auch der Biss des Hundes nicht als Arbeitsunfall. Denn die Verletzte hatte nur den Hund betreut und keine weiteren Aufgaben im Haushalt übernommen, sodass ihre Tätigkeit nicht als arbeitnehmerähnlich betrachtet werden konnte (Hessisches Landessozialgericht (LSG) vom 12.04.2016, Az. L 3 U 171/13).
In einem anderen verhandelten Fall verließ ein Versicherter das Haus und wollte in sein Auto steigen, um zur Arbeit zu fahren. Er rief seinen Hund, um sich wie üblich zu verabschieden. Der Hund war zu stürmisch und rannte ihn um. Das LSG Sachsen-Anhalt urteilte, dass es sich um einen Versicherungsfall handelte. Der bereits angetretene versicherte Weg zur Arbeit war nur geringfügig unterbrochen worden. Außerdem war der Boden zum Unfallzeitpunkt nass gewesen, womit eine typische Wegegefahr vorgelegen hatte (LSG Sachsen-Anhalt vom 16.05.2013, Az. L 6 U 12/12).
Eine Beschäftigte ging während ihrer Rufbereitschaft mit ihrem Hund spazieren. Währenddessen erhielt sie einen Anruf von ihrem Vorgesetzten. Sie führte also gleichzeitig ein dienstliches Telefonat und ging mit ihrem Hund Gassi. Dabei stürzte sie und verletzte sich. Für die Klärung der Frage, ob dieser Sturz als Arbeitsunfall galt, war die genaue Ursache relevant: War die Beschäftigte zum Beispiel abgelenkt durch den Anruf oder war das Spazierengehen mit dem Hund die Ursache? (BSG vom 26.06. 2014, Az. B s U 4/13 R). Die weiteren Feststellungen ergaben, dass nicht das Telefonat, sondern allein das Spazierengehen mit dem Hund für das Ausgleiten auf schneebedecktem Boden ursächlich war. Somit lag kein Arbeitsunfall vor (LSG Nordrhein-Westfalen vom 29.03.2016 Az. L 15 U 547/ 14 ZVW).
Ein Juwelier brachte ein Schmuckpaket zu einem Kunden und nahm seinen Hund mit. Als dieser eine Katze sah, riss er seinen Halter um. In diesem Fall liegt eine gemischte Tätigkeit vor: Der Betriebsweg zum Kunden ist gesetzlich unfallversichert, das Gassigehen mit dem Hund dagegen nicht (LSG Celle vom 29.09.2018, Az. L 3 U 184/16). Der Sturz resultierte hier nicht aus Gefahren, die der Betriebsweg mit sich brachte. Stattdessen hat die durch das Führen des Hundes an der Leine bedingte Gefahr, von ihm umgerissen zu werden, zum Unfall geführt. Dieses Risiko ist allein dem privaten, unversicherten Bereich zuzuordnen. Wenn Beschäftigte Geschäftspost aufgeben, auf diesem Weg ihren Hund mitnehmen und deswegen stürzen, kann dagegen Versicherungsschutz bestehen, wenn es betriebliche Gründe dafür gab, den Hund mitzuführen. Das wäre zum Beispiel dann der Fall, wenn bei der Aufgabe von Wertbriefen der Hund zum persönlichen Schutz mitgeführt oder wenn der Hund zur Bewachung des Betriebes eingesetzt wird und ihm auf diesem Betriebsweg der Auslauf ermöglicht wird (BSG vom 27.10.1987, Az. 2 RU 31/879).
In einem anderen Fall wollte ein freiwillig unfallversicherter Unternehmer Zündkerzen aus dem Lager holen. Dabei stolperte er über seinen auf dem Boden der Werkstatt liegenden Hund. Er versuchte sich mit den Händen abzufangen und geriet dabei mit der rechten Hand so unglücklich in das Maul des Hundes, dass dieser instinktiv zubiss. Kein Arbeitsunfall, entschied das LSG Baden-Württemberg. Denn die wesentliche Ursache für die Verletzung war nicht die betriebliche Verrichtung, der Gang zum Lager, sondern die dem privaten Bereich zuzuordnende spezifische Gefahr, die von dem Tier ausging. Zwar ist man grundsätzlich im Betrieb beim Stolpern über ein Hindernis unfallversichert, jedoch hat hier nicht der Sturz, sondern der Biss des eigenen Hundes die Verletzung verursacht (LSG Baden-Württemberg vom 21.03.2019, Az. L 6 U 3978/18).
Karl Heinz Schwirz, BGHM
Ausgabe 3/2023