Normen, Regeln und Informationen

Orientierung im Vorschriften-Dschungel

In der betrieblichen Praxis tauchen immer wieder Fragen dazu auf, wie Gesetze, Verordnungen, Richtlinien, Normen, Regeln und Informationen der gesetzlichen Unfallversicherungsträger zusammenhängen. Ein Blick von Deutschland nach Europa und zurück hilft, um sich hier zu orientieren.

Die Bundesrepublik Deutschland hat sich mit Artikel 23 Absatz 1 des Grundgesetzes zur Verwirklichung eines vereinten Europas verpflichtet. Das bedeutet, bei der europäischen Rechtsetzung mitzuwirken und diese auch unter bestimmten Voraussetzungen zu akzeptieren. So ist es im sogenannten Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 30. Juni 2009 festgehalten (2 BvE 2/08). Damit einher geht eine Verzahnung von deutschem Recht und Unionsrecht.

Zur Rechtsetzung kann die Europäische Union (EU) Verordnungen und Richtlinien erlassen, sogenannte Rechtsakte. Artikel 288 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union beschreibt diese Möglichkeit. Im Gegensatz zu Verordnungen, die unmittelbar in jedem Mitgliedsstaat wirksam und verbindlich sind, müssen Richtlinien der EU in nationales Recht umgesetzt werden. Dies erfolgt durch nationale Rechtsakte.

Normen, Regeln und Informationen; © MichaelJBerlin/stock.adobe.com

Ein Beispiel: Die Druckgeräterichtlinie 2014/68/EU wurde in Deutschland mit der Druckgeräteverordnung – 14. ProdSV in nationales Recht umgesetzt und erlangte erst damit in Deutschland Gültigkeit. Die technische Konkretisierung erfolgt dabei durch harmonisierte Normen.

Technische Normung und Branchenregeln

Deutschland setzt mit dem Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN) die europäischen technischen Normen in deutsche technische Normen – die DIN-Normen – um. Das DIN wurde über einen Staatsvertrag aus dem Jahr 1975 hierzu ermächtigt. Unfallverhütungsvorschriften, Regeln und Informationen der Unfallversicherungsträger hingegen sind im autonomen Recht nach Sozialgesetzbuch (SGB) VII §§ 14, 15 und 17 verankert. Insbesondere Branchenregeln sind als übersichtliches Nachschlagewerk konzipiert. Sie führen Anforderungen und Informationen aus Arbeitsschutzvorschriften zusammen und unterbreiten Unternehmen ein Komplettangebot nach dem Motto „Alles Wichtige auf einen Blick“.

Normen und Standards

Verwirrend ist das im Deutschen unterschiedlich belegte Begriffspaar „Norm“ und „Standard“, da in der englischen Sprache „Norm“ als „Standard“ übersetzt wird. Eine Norm ist ein Dokument, das im Konsens erstellt und von einer anerkannten Institution angenommen wurde. Es legt für die allgemeine und wiederkehrende Anwendung Regeln, Leitlinien oder Merkmale für die Tätigkeiten oder deren Ergebnisse fest. Die Normung selbst ist wiederum über die Norm 45020 „Normung und damit zusammenhängende Tätigkeiten – Allgemeine Begriffe“ definiert.

Ein Beispiel für eine Norm ist die DIN EN ISO 12100 „Sicherheit von Maschinen – Allgemeine Gestaltungsleitsätze – Risikobeurteilung und Risikominderung“ (ISO 12100: 2010). Diese enthält Grundbegriffe und allgemeine Aspekte zur Sicherheit von Maschinen und beschreibt damit das grundlegende Verfahren zu deren Konstruktion. Standardisierung hingegen beschreibt in der deutschen Sprache den meist recht schnellen Erarbeitungsprozess von Spezifikationen, der jedoch nicht zwingend unter Einbeziehung aller interessierten Kreise und der Öffentlichkeit abläuft. Ein Beispiel hierfür ist die DIN-Normungsroadmap Künstliche Intelligenz.

Verbindlich oder nicht?

DIN-Normen sind genauso wie europäische EN-Normen und internationale ISO-Normen im Grundsatz unverbindlich. Zwei Ausnahmen sind jedoch zu beachten. Einerseits erhalten technische Normen Verbindlichkeit, wenn ihre Mitanwendung in einer Rechtsvorschrift, zum Beispiel einem Gesetz oder einer Verordnung, festgeschrieben ist. Andererseits kann eine Verbindlichkeit zum Einhalten von Normen über privatrechtliche Verträge, zum Beispiel über einen Kaufvertrag, hergestellt werden. Diese jedoch dürfen den zugrundeliegenden Gesetzen oder Verordnungen nicht widersprechen.

Für Regeln der Unfallversicherungsträger (UVT) sowie die staatlichen Technischen Regeln gilt: Auch sie beschreiben den Stand der Technik, wie er in § 2 Absatz 10 der Betriebssicherheitsverordnung definiert ist, und sind vom Grundsatz her unverbindlich. Sie werden, wie technische Normen, im konsensualen Prinzip erarbeitet und abgestimmt. Informationen der UVT sind Standards und entstehen ebenfalls im Konsens.

Christoph Preuße, BGHM

Ausgabe 2/2024