Mobbing als Arbeitsunfall?

Jour fixe mit Folgen

Eine Beschäftigte streitet mit ihrem Vorgesetzten und sackt plötzlich in sich zusammen. Die Diagnose: akute psychische Belastungssituation. Schon vorher fühlte sich die Frau gemobbt.  Das Sozialgericht München (SG München) hatte nun zu entscheiden, ob es sich bei dem Streitgespräch um einen Arbeitsunfall aufgrund von Mobbing handelte.

Die Klägerin berichtete in der Gerichtsverhandlung über das Unfallereignis vom Sommer 2018: Kurz nach ihrer Ankunft im Betrieb habe das als Jour fixe deklarierte Gespräch stattgefunden. Sie sei kurzfristig dazu eingeladen worden. Worum es gehen sollte, habe sie nicht gewusst. Auch eine Nachfrage bei ihrer direkten Vorgesetzten, die normalerweise an Jour fixes teilnahm, brachte keine Klarheit.

Der Geschäftsführer sei anwesend gewesen und es sei um Umsätze und die Nichteinhaltung einer Zielvereinbarung gegangen, die die Beschäftigte als unerfüllbar angesehen, aber dennoch unterschrieben hatte. Die Beschäftigte verfiel in Sprachlosigkeit und Starre und spürte Atemaussetzer.

Mobbing als Arbeitsunfall; © Andrey Popov/stock.adobe.com

Sie könne sich noch erinnern, dass auf sie eingeredet worden sei. Sie sei in einen Krankenwagen gebracht und auch im Krankenhaus immer wieder ohnmächtig geworden. Auch der Verdacht eines Schlaganfalls sei untersucht worden. Der Durchgangsarzt diagnostizierte den Zusammenbruch im Streitgespräch als akute psychische Belastungssituation.

Für die Beschäftigte war der Jour fixe nach eigenen Angaben ein weiterer Vorfall in einer langen Reihe von belastenden Ereignissen: Ihr Aufgabenbereich sei sukzessiv verkleinert und das Gehalt willkürlich gekürzt worden. Sie berichtete, dass systematisch gegen sie vorgegangen worden sei. Die alleinstehende Frau habe Angst vor einer Kündigung gehabt und bedrohliche Existenznot verspürt.

Wann Mobbing ein Arbeitsunfall sein kann

Grundsätzlich gilt: Damit ein Unfall als Arbeitsunfall anerkannt werden kann, muss es sich um ein punktuelles, auf eine Arbeitsschicht begrenztes Ereignis handeln, das zu einem Gesundheitsschaden führt. Da Mobbing der Definition nach keine einzelne, abgrenzbare Handlung ist, sondern ein Prozess, in dessen Verlauf das Persönlichkeitsrecht oder die Gesundheit des oder der Betroffenen verletzt wird, kann es in der Regel kein Arbeitsunfall sein.

Anders sieht das zwar bei einem einzelnen, abgrenzbaren Gespräch, insbesondere bei einem intensiven Streit aus, in dessen „Verlauf sich eine geistig-seelische beziehungsweise psychische Einwirkung erkennen lässt, durch welche sich der physiologische Körperzustand der Versicherten ändert“, so das Gericht. Bei regelmäßigen und typischen Gesprächen im jeweiligen Beschäftigungsbereich, in denen es nicht um arbeitsrechtliche Maßnahmen gegenüber dem oder der Beschäftigten geht, liegt eine solche Einwirkung jedoch in der Regel nicht vor. Aus diesem Grund sah das Gericht bei dem Jour fixe mit Folgen nicht die Voraussetzungen für einen Arbeitsunfall gegeben (SG München, Gerichtsbescheid vom 16. März 2023 – S 9 U 396/20).

Thomas Dunz, BGHM

Ausgabe 1/2024