Holzhandwerk: Aus Unfällen lernen

Schutzsysteme an Abrichthobelmaschinen

Pro Jahr könnten mehr als 70 schwere Unfälle an Abrichthobelmaschinen verhindert werden, wenn veraltete Schutzsysteme präventiv durch moderne Schutzsysteme nach dem Stand der Technik ersetzt und vollständig angewandt werden würden. Das zeigen Untersuchungen – und dieses Unfallbeispiel.

Die Abrichthobelmaschine schien trotz ihres Alters noch in Ordnung zu sein. Die Hobelmesser waren scharf, die Absaugung führte Staub und Späne ab und nach dem Ausschalten stand die Messerwelle innerhalb weniger Sekunden still. Klappenschutz, Fügeleiste, Hilfsanschlag und Schiebelade waren einsatzbereit. Wie also konnte es zu einem Unfall kommen?

Eine Auszubildende möchte kurze Massivholzstücke aus Buche vorbereiten. Sie verdeckt den nicht benötigten Teil der Messerwelle mit dem Klappenschutz und führt die kurzen Holzstücke mit der Schiebelade über die Messerwelle. Als sie beim letzten Werkstück Riefen bemerkt, legt sie drei Elemente des Klappenschutzes um und führt das Buchenholzstück ohne Schiebelade.

Schutzsysteme an Abrichthobelmaschinen

Beispielbild aus einem Betrieb. Immer gilt: Mit sicheren Arbeitsweisen und Maschinen lassen sich Unfälle vermeiden.

Das Holzstück kippt in die Messerwelle und wird schlagartig zurückgeschleudert. Die Hand der jungen Frau, mit der sie das Werkstück andrückt, rutscht in die rotierende Messerwelle. Die Folgen dieses Unfalls: schwere Schnittverletzungen an mehreren Fingern. Die Maßnahme, damit sich ein solcher Unfall nicht noch einmal ereignen kann: Nachrüsten der Abrichthobelmaschine mit einem Brückenschutz.

Brückenschutz: Stand der Technik an Neumaschinen

Der Unfallhergang verdeutlicht, dass das an älteren Abrichthobelmaschinen vorhandene Schutzsystem „Klappenschutz mit Fügeleiste“ nur unzureichenden Schutz bietet. Es richtig anzuwenden, erfordert zudem mehr Zeit, als einen Brücken- oder ebenfalls noch häufig vorzufindenden Schwingschutz einzurichten. Außerdem hat dieses Schutzsystem keine Sicherheitsreserven für den Fall, dass es unsachgemäß angewendet wird.

Insbesondere bei kleinen Werkstücken oder unvollständiger Anwendung verzeiht es keine Fehler. Unter anderem wird in der DGUV Regel 109-606 „Branche Tischler- und Schreinerhandwerk“ darauf hingewiesen, dass eine Klappenverdeckung mit Fügeleiste nicht dem Stand der Sicherheitstechnik entspricht.

Seit 1995 dürfen Abrichthobelmaschinen nur mit Brückenschutz ausgeliefert werden. Dieser verdeckt die Messerwelle bei den meisten Arbeitsgängen komplett. Bei Fehlanwendungen verbleibt zwischen Hand und Messerwelle noch die Abdeckung, die verhindert, dass das Werkzeug berührt wird. Dies ist ein deutliches Plus auch gegenüber dem Schutzsystem „Schwingschutz“.

BrückenschutzBrückenschutz

Klappenschutz erfordert spezielle Maßnahmen

Moderne Schutzsysteme sind die beste Unfall-Prävention. Dennoch muss ein Klappenschutz mit Fügeleiste an älteren Abrichthobelmaschinen nicht zwingend durch ein moderneres Schutzsystem ersetzt werden. Die Schriften Arbeitsschutz Kompakt Nr. 34 „Arbeiten an Abrichthobelmaschinen“ und Fachbereich Aktuell Nr. 105 „Abrichthobelmaschinen – Bau und Ausrüstung“ beschreiben die Vorgehensweise, wenn nicht ausgetauscht wird: Auf Basis einer Gefährdungsbeurteilung kann ein (rechts-)sicherer Betrieb des Klappenschutzes mit Fügeleiste gewährleistet werden. Diese hat den Ausbildungsstand der Beschäftigten, die Abmessungen von Werkstücken sowie die Häufigkeit der Maschinennutzung zu betrachten und folgende unfallreduzierende Vorgehensweisen als zusätzliche Maßnahmen verbindlich festzulegen:

Gert Feihle, BGHM

Abrichthobelmaschine:

Abrichthobelmaschine

 

1 Aufgabetisch
2 Schwenkbarer Hilfsanschlag
3 Messerwellenverdeckung
3a Brückenschutz
4 Messerwellenverdeckung hinter dem Anschlag
5 Stellteile (EIN-AUS, NOT-HALT)
6 Höhenverstellung des Aufgabetischs
7 Absaugstutzen
8 schrägstellbarer Parallelanschlag
9 Schiebeholz für Brückenschutz

Hinweise

  • In Ausbildungskursen für Tischler- und Schreiner- Auszubildende (TSM-Kursen), wird das Schutzsystem „Klappenschutz mit Fügeleiste“ nicht mehr unterrichtet, sodass Auszubildende kein Wissen über dieses Schutzsystem haben. Daher rät die BGHM dringend davon ab, Azubis im Betrieb damit arbeiten zu lassen.
  • Die Nachrüstung eines Brückenschutzes wird auch von der BGHM empfohlen. Für Werkstückbreiten kleiner als 100 mm ist an Altmaschinen vor Baujahr 1995 in der Regel auch ein Schwingschutz ausreichend.
  • Bei Nachrüstungen sollte mit Fachfirmen geklärt werden, welches Schutzsystem montiert werden kann.

Ausgabe 1/2023