Sicherer Transport: wichtiges Wissen

Ladungssicherung in der Praxis

Es spielt keine Rolle, ob der Transportweg 100 m oder 100 km beträgt: Eine wirksame und regelgerechte Ladungssicherung auf Fahrzeugen ist unerlässlich. Wissen um die  physikalischen Grundlagen und um Methoden  der Ladungssicherung sind dafür das A und O. Alle Körper besitzen eine sogenannte Trägheit.

Das heißt, sie behalten ohne Krafteinwirkung ihren ursprünglichen Bewegungszustand bei. Für eine regelgerechte und effektive Ladungssicherung ist dieses Wissen wichtig, denn es wirkt sich direkt auf die Praxis aus: Fährt beispielsweise ein Lkw, der eine glatte Ladefläche hat, die mittig mit Paletten beladen ist, mit großer Beschleunigung an, bewegen sich die Paletten in Richtung der Heckklappe.

Grund dafür ist die Trägheit: Die Masse will ihren ursprünglichen Bewegungszustand beibehalten, in diesem Fall den Stillstand. Beim plötzlichen Bremsen will die Masse in Bewegung bleiben. Dann rutschen die Paletten in Richtung der Fahrzeugstirnwand. Für Kurvenfahrten gilt das Verhalten der Massen ebenso. Zwei Methoden gibt es, um diesen ungewollten Bewegungen von Ladung entgegenzuwirken: die formschlüssige und die kraftschlüssige Ladungssicherung.

Ladungssicherung in der Praxis
Formschlüssige Ladungssicherung mit SperrbalkenFormschlüssige Ladungssicherung mit Sperrbalken

Formschlüssige Ladungssicherung

Für die formschlüssige Ladungssicherung wird die Ladung bis an die Stirnwand oder gegen die Bordwand geladen. Ist die Ladefläche lückenlos gefüllt, wird die Ladung durch einen ausreichend stabilen Fahrzeugaufbau gesichert. Ladungslücken von mehr als einigen Zentimetern müssen gefüllt oder mit Hilfsmitteln gesichert werden.

Zum Füllen der Lücken können Luftpolster – sogenannte Airbags –, Paletten oder Schaumstoff verwendet werden. Mit Hilfsmitteln werden einzelne Ladungsteile für sich oder als Block gesichert. Dafür müssen im Fahrzeugaufbau entsprechende Einrichtungen wie Lochschienen oder Ankerschienen vorhanden sein. In diese können Sperrbalken eingesetzt  werden, die den Formschluss herstellen.

Eine  andere Methode, um den Formschluss zu erreichen, ist das Direktzurren, das sich in Diagonalzurren und Schlingenzurren untergliedert.  Beim Diagonalzurren sichern vier Zurrmittel jeweils eine der vier Ecken des Ladegutes. Sie werden diagonal hoch zur Ladung gespannt, also nicht im rechten Winkel zur Außenkante der Ladefläche. Die Sicherungskraft ist abhängig von der Belastbarkeit der Zurrmittel – auch Lashing Capacity (LC) genannt –, der zulässigen Zugkraft der Zurrpunkte und den Zurrwinkeln α (von der Ladefläche hoch zum Zurrmittel) und β (von der Außenkante der Ladefläche rein zum Zurrmittel). Die Zurrwinkel sind besonders wichtig, da jedes Zurrmittel die Ladung in zwei Richtungen sichert.

Es werden folgende Winkelbereiche empfohlen : α: von 20° bis 65° β: von 10° bis 50° Ungünstige Zurrwinkel machen eine höhere LC erforderlich, um die Ladung zu sichern. Beim Schlingenzurren wird ein Zurrmittel als Schlinge vor, hinter oder seitlich um das Ladegut gelegt und in den Zurrpunkten am Fahrzeug fixiert. Man unterscheidet hier zwischen Kopfschlingenzurren und Umreifungszurren.

Die Kopfschlinge dient als Hilfsmittel für den Formschluss, wenn die Ladung nicht direkt an einer Wand anliegen kann. Die Zurrmittel müssen oberhalb des Schwerpunktes der Ladung und in den Zurrpunkten des Fahrzeuges fixiert werden.  Das Umreifungszurren dient quasi als Bordwandersatz und kann die Ladung nur seitlich sichern. Die Zurrmittel werden quer zur Fahrtrichtung um die Ladung gelegt und in den Zurrpunkten des Fahrzeuges fixiert. Die Sicherung in und entgegen der Fahrtrichtung muss gesondert erfolgen, zum Beispiel durch Kopfschlingen.  

Kraftschlüssige Ladungssicherung

Ziel der kraftschlüssigen Ladungssicherung ist die Erhöhung des Reibungswiderstandes zwischen Ladegut und Ladefläche. Zwischen beiden findet eine sogenannte Mikroverzahnung statt – je rauer eine Oberfläche ist, desto größer ist die Mikroverzahnung und damit der Reibungswiderstand. Dieser wird als Reibbeiwert angegeben und mit µ bezeichnet. Er ist abhängig von der Beschaffenheit und dem Zustand der sich berührenden Oberflächen, beispielsweise davon, ob diese trocken oder fettig sind.

Für die Erhöhung der Reibung haben sich Anti-Rutsch-Matten bewährt, die einen Reibbeiwert von 0,6 µ auf trockenen und nassen Untergründen erreichen. Diese zusätzliche Sicherung muss durch Niederzurren mit Zurrgurten oder Ketten kombiniert werden und eignet sich nur für formstabile Ladung.

Das Zurrmittel wird über die Ladung geführt, in die Zurrpunkte des Fahr­zeuges eingehängt und mit dem Spannelement, der  Ratsche, gespannt. Zur gleichmäßigen Verteilung der Vorspannkräfte werden Kantengleiter empfohlen. Bei scharfen Kanten sind sie ein Muss. Eine frei stehende Ladung muss mit mindestens zwei Zurrgurten gesichert werden, damit sie sich nicht drehen kann.

Für die wirksame Vorspannkraft spielt zusätzlich der Zurrwinkel α eine große Rolle. Bei einem Zurrwinkel von 90° wirkt sie zu 100 Prozent, bei 30° nur noch zu 50 Prozent. Die erforderliche Sicherungskraft muss dann mit mehr Zurrmitteln aufgebracht werden.  

Winkelbereiche beim Kopfschlingenzurren: Zurrwinkel α führt von der Ladefläche hoch zum Zurrmittel. Zurrwinkel β führt von der Außenkante der Ladefläche rein zum Zurrmittel.Winkelbereiche beim Kopfschlingenzurren: Zurrwinkel α führt von der Ladefläche hoch zum Zurrmittel. Zurrwinkel β führt von der Außenkante der Ladefläche rein zum Zurrmittel.

Zurrmittel

Als Zurrmittel werden Ketten, Gurte, Drahtseile, Netze und Planen verwendet. Zurrgurte kommen am häufigsten zur Anwendung. Sie bestehen aus gewebten Chemiefasern mit einer Ratsche als Spannelement und können ein- oder zweiteilig sein. An den jeweiligen Enden befinden sich Verbindungselemente, mit denen die Gurte in die Zurrpunkte des Fahrzeuges eingehängt werden. Mit der Ratsche wird die nötige Vorspannkraft  erzeugt.

An jedem Zurrgurt muss ein Etikett mit den wichtigsten Angaben angebracht sein: die  LC-Zurrkraft im Zurrmittel und die Standard  Tension Force (STF), die normale Vorspannkraft. Diese Kräfte werden in daN angegeben. Die LC gilt für geraden Zug und hat nichts mit der durch die Ratsche erzeugten Vorspannkraft zu tun. Sie ist die Orientierungsgröße für die zu sichernde Ladung beim Direktzurren. Die STF ist die Kraft, die mit der Ratsche erzeugt wird und maßgeblich für das Niederzurren ist.  

Ladungssicherung ist Physik-Wissen

Für die regelgerechte Ladungssicherung sind alle am Transport Beteiligten verantwortlich (siehe auch BGHM-Magazin 5/2022). Es gibt viele Methoden der Ladungssicherung, die es gegeneinander abzuwägen gilt – jede hat ihre Vor- und Nachteile. Fakt ist und bleibt: Physik lässt sich nicht überlisten. Schließlich muss man sich mit Fachwissen für eine Methode oder für eine  Kombination entscheiden.  

Herwig Kochan, BGHM

Gut zu wissen

Um schnell herauszufinden, bei welcher Sicherungsart wie viele Sicherungsmittel erforderlich sind, bieten viele Zurrmittelhersteller Hilfsmittel an. Die Trucker’s Disc beispielsweise ist eine Rechenscheibe für Diagonal- und Niederzurren; der Zurrkraft-Controller ist ein Rechenschieber für Diagonal- und Niederzurren. Nicht zu vergessen sind die vielen Handy-Apps.

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Ausgabe 1/2023