Automatisiert fahrende Fahrzeuge im betrieblichen Einsatz

Die Zukunft hat begonnen

Material wird von fahrerlosen Flurförderzeugen ans Fließband geliefert. Gefertigte Pkw fahren selbstständig vom Band zur Endkontrolle und weiter zur Verladung. Menschen werden von Bussen, Bahnen oder sogenannten Peoplemovern transportiert, ohne dass eine Person diese Fahrzeuge steuert. Lkw transportieren in Steinbrüchen und Kiesgruben ihre Ladung entlang festgelegter Wege ohne Fahrer.

Die Entwicklung des automatisierten und fahrerlosen Fahrens hat nach und nach Einzug in den betrieblichen Alltag gehalten. Die hier genannten Anwendungen sind in der Praxis im Einsatz oder zumindest realisierbar. So vielfältig wie die Anwendungsgebiete automatisierter Fahrzeuge sind, so vielseitig sind auch die speziellen Anforderungen an diese.

Die 2022 erschienene Fachbereich AKTUELL FBHM-119 „Automatisiert fahrende Fahrzeuge in betrieblichen Bereichen“ beschreibt Grundlagen und eine strukturierte Vorgehensweise, um diese Anforderungen zu ermitteln.

Die Zukunft hat begonnen

Was bis vor einigen Jahren noch Utopie war, ist inzwischen Realität. Das Spektrum der fahrerlosen Anwendungen entwickelt sich permanent weiter. Doch ob selbstfahrende Servicestation oder fahrerlose Baumaschine: In jedem Fall müssen die Sicherheit und der Schutz von Personen gewährleistet werden.

Aber was ist sicher? Wie müssen fahrerlose Fahrzeuge funktionieren und ausgerüstet sein, um Unfälle mit Personen und Objekten zu verhindern? Im Gegensatz zum öffentlichen Straßenverkehr sind Beschäftigte im Betrieb meist auf ihre Tätigkeit fokussiert. Daher hat der Schutz von Personen im betrieblichen Bereich höchste Priorität. Maschinen und Fahrzeuge, die sich in unserem Umfeld bewegen, müssen Personen sicher erkennen und entsprechend reagieren.

Hilfestellung zur Ermittlung von Anforderungen

Fahrerlose Flurförderzeuge sind in Betrieben seit Langem im Einsatz. Die Anforderungen an sie sind in der Norm DIN EN 3691-4 „Flurförderzeuge – Sicherheitstechnische Anforderungen und Verifizierung – Teil 4: Fahrerlose Flurförderzeuge und ihre Systeme“ beschrieben. Der betriebliche Einsatz von fahrerlosen Fahrzeugen geht allerdings häufig über den Anwendungsbereich dieser Norm hinaus, zum Beispiel dann, wenn es sich um andere Fahrzeugkategorien und komplexe Einsatzbedingungen, wie etwa bei Mischverkehr oder in Kreuzungsbereichen, handelt.

Die Fachbereich AKTUELL FBHM-119 gibt Hilfestellung dabei, die Anforderungen an automatisierte, vor allem fahrerlose Fahrzeuge und an die Bereiche, in denen diese eingesetzt werden, zu ermitteln. An der Erarbeitung der Schrift waren mehrere Fachbereiche und Institute der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV), der Deutsche Verkehrssicherheitsrat (DVR) und die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) beteiligt. Weiterhin wurde der Inhalt mit Vertretern von Herstellern und Betreibern solcher Fahrzeuge diskutiert. Zunächst wird in der Fachbereich AKTUELL FBHM-119 festgestellt, dass die Anforderungen an automatisierte Fahrzeuge im betrieblichen Bereich vom jeweiligen Einsatzfall abhängig sind.

Zur Abgrenzung werden grundlegend drei verschiedene Bereiche definiert: In öffentlich zugänglichen und vergleichbaren Bereichen müssen dem öffentlichen Straßenverkehr vergleichbare Regelungen gelten und automatisierte Fahrzeuge die technischen Voraussetzungen für eine Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr aufweisen. In abgeschlossenen Bereichen ohne Zugang von Personen gelten die gleichen Anforderungen wie für automatisierte Fertigungsanlagen: Der Zugang von Personen muss sicher verhindert werden, etwa durch trennende Schutzeinrichtungen. Müssen im Havarie- oder Instandhaltungsfall Personen den Bereich betreten, sind besondere Schutzmaßnahmen zu treffen.

Das zentrale Augenmerk der Betrachtung gilt abgeschlossenen Bereichen mit begrenztem Zugang. Dabei handelt es sich beispielweise um Produktions- oder Montageabteilungen sowie jegliche anderen betrieblichen Bereiche, zu denen nur bestimmte Personen und Fahrzeuge kontrollierten Zugang haben. Dadurch kann eingegrenzt werden, welche Personen und Objekte in diesem Bereich berücksichtigt werden müssen und welche Verkehrssituationen entstehen können, in denen der Umgang mit diesen sicher beherrscht werden muss.

Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung müssen die zu erwartenden Hindernisse und Verkehrsteilnehmer sowie die Komplexität des fahrerlosen Fahrbetriebs ermittelt werden. In einer Matrix lassen sich anschließend die typischen Anforderungen für den jeweiligen Anwendungsfall ableiten. Diese sind jedoch nicht abschließend und müssen stets am Einzelfall verifiziert und gegebenenfalls erweitert werden. Sven Träger, BGHM

Ausgabe 1/2023